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22" f/4.0 lowrider

 

Maximale Spiegelgröße und trotzdem mit den Füßen beim Beobachten auf dem Boden bleiben, ohne Leiter, ohne Klapptritt und ohne langjährige künstliche Zufuhr von Wachstumshormonen - das waren die Vorgaben für dieses Teleskop. Dies ist nur möglich, wenn man den Strahlengang stärker faltet als im klassischen Newton, also den Strahlengang vom Fangspiegel zum Okularauszug nicht waagerecht auslenkt, sondern z.B. um 30° nach unten neigt. Das ist die Idee des Lowriders. 

Dazu spukte mir schon seit 2004 einiges im Kopf herum und ich hatte auch schon recht konkrete Vorstellungen von dem zukünftigen Teleskop. Im Frühjahr 2005 lernte ich dann Timm Klose mit seinem 20" Lowrider auf einem Teleskoptreffen in Gersbach im Südschwarzwald kennen. Ich musste nicht mehr groß überzeugt werden, es war eher ein Ansporn, das Projekt nun wirklich in Angriff zu nehmen. 

Ich setzte mir zum Ziel, ein Teleskop zu bauen, mit dem ich auch im Zenit ohne Leiter oder ähnliches beobachten konnte, das von seiner Handhabbarkeit meinem 14-Zoll Dobson entsprechen sollte, und das trotzdem wesentlich mehr Öffnung hat (>20"). Die komplette Optik wollte ich außerdem selbst machen, sowohl Haupt- als auch Fangspiegel. Selbst mit einem Lowrider Design ist das nur möglich, wenn der Hauptspiegel ein möglichst schnelles Öffnungsverhältnis hat. Nachdem ich die verschiedenen Varianten durchgespielt und jeweils die Einblickhöhe abgeschätzt hatte, legte ich mich auf einen 22" f/4 Hauptspiegel fest. Damit hatte ich noch genug Reserven in der Einblickhöhe, um selbst in Kombination mit einer Äquatorial-Plattform (Ein Muss!) auf einen Klapptritt verzichten zu können. 

 

Das Prinzip des Lowriders: Durch die stärkere Verkippung des Fangspiegels wird der Strahlengang nach unten gefaltet und auch die Position des Fangspiegels wandert etwas nach unten. Im Gegenzug muss der Fangspiegel zwar etwas größer ausfallen, allerdings bewegt sich diese Vergrößerung in einem sehr überschaubaren Rahmen und vergrößert in meinem Fall die zentrale Obstruktion auf lediglich 25%.

Kippwinkel alpha von bis zu 30° sind gut umsetzbar, ohne dass man große Probleme mit Streulichtschutz gegen den Himmel bekommt (bei größeren Kippwinkeln wird das dann schwieriger). Mehr zum Streulichtschutz hier. Bei dem nebenstehenden Beispiel verringert die Lowrider-Konstruktion den Einblick um etwa 40 cm. Zusammen mit einem schnellen f/4 Öffnungsverhältnis ist es somit möglich, auch für einen 22-Zöller eine ausreichend tiefe Einblickposition zu erhalten, um vom Boden aus beobachten zu können.

Planung des Lowriders: Die Berechnung der Einblickhöhe erfolgt am Besten anhand einer maßstabsgetreuen Zeichnung. Der Abstand a zwischen der Fokalebene (grün) und dem Fangspiegel sollte so bemessen sein, dass genügend Platz für Okularauszug, zusätzlichen Fokussierweg, OAZ-Blende und eventuelle andere Teile wie z.B. Filterschieber vorhanden ist. Die Länge b kann dann abgemessen werden, wobei hier auch noch die groben Abmessungen eines Okulars miteinbezogen werden sollten. Die Distanz zwischen Okular-Einblick und dem Hauptspiegel ergibt sich dann durch Subtraktion von a und b von der Brennweite f des Hauptspiegels. Um die Okular-Einblickhöhe bei Zenitbeobachtung zu erhalten, muss nun noch die Höhe des Spiegels über dem Boden hinzu addiert werden. Für einen auf niedrige Bauweise optimierten großen Dobson können hierfür als Richtwert 20 cm veranschlagt werden. 

Für die Planung eines Lowriders können übrigens die selben Computer-Programme verwendet werden wie für einen klassischen Newton (z.B. Newt). Der längere Abstand a beim Lowrider im Vergleich zum klassischen Newton kann in der Software z.B. durch einen vergrößerten Wert für die Tubuswandstärke berücksichtigt werden. Innendurchmesser des Huts, kleine Achse des Fangspiegels und ausgeleuchtetes Feld können dann ganz normal berechnet werden.

Bau des Lowriders: Beim Hauptspiegel konnte ich von meinem 14" f/5 ausgehend ungefähr abschätzen, was da auf mich zukam: Erheblich größer und erheblich schwierigeres Öffnungsverhältnis, aber wohl schon irgendwie machbar (dachte ich mir damals jedenfalls in meiner Unbekümmertheit ... ). 

Beim Fangspiegel sah das anders aus, da ich so etwas noch nie gemacht hatte. Also sollte dieser als erstes in Angriff genommen werden, vor allem auch da ich Karbo, HPC und Pech noch alles da hatte von meinem vorherigen Projekt, und sich die Kosten für drei 6" Borofloatscheiben sehr in Grenzen hielten. Das Hauptproblem beim Fangspiegel ist die Einhaltung der extrem engen Toleranzen, vor allem bezüglich des Krümmungsradius der Fläche. Mit dem Foucaulttest gegen Referenzsphäre und dem Ritchey-Common-Test hat man jedoch zwei sehr einfache und extrem genaue Null-Tests, um die Oberfläche zu vermessen (ganz anders als beim Hauptspiegel ).

 

Nachdem mit der erfolgreichen Fertigstellung des Fangspiegels die erste selbstgesetzte Hürde überwunden war, ging es weiter mit dem Bau des Teleskops. Ich begann mit dem Bau der Spiegelzelle und der Spiegelbox, dann kam der Hut dran mit allen Komponenten, den ich als Alukonstruktion aus gebogenen Profil-Ringen fertigte. Nachdem diese Komponenten fertig gestellt waren, konnte ich den Schwerpunkt des Teleskops abschätzen und mich an die Stangen, die Höhenräder und die Rockerbox machen. 

Für den Hauptspiegel verwendete ich eine vorgefräste 40mm dicke 550 mm Pyrex-Scheibe von Reginato in Italien (sehr empfehlenswert ) und ein 45 cm-Subdiameter-Fliesentool für den Feinschliff. Poliert und Parabolisiert wurde mit einer Reihe von Tools von  40 bis 4 cm Durchmesser. Das Polieren mit dem 40 cm-Tool war sehr anstrengend, ging aber glücklicherweise recht schnell voran. Beim Parabolisieren muss man bei der Spiegelgröße und f/4 noch einiges an Glas wegräumen, ganz anders als bei kleineren Spiegeln. Alleine um die Mitte auszubaggern brauchte ich mehrere Abende. Durch das Arbeiten mit Subdiametertools auf einer so großen Fläche muss man auch immer auf möglichen Astigmatismus testen und notfalls beseitigen. Während dies beim noch sphärischen Spiegel nicht so problematisch ist, wird es mit zunehmendem Parabolisierunsgrad immer schwieriger, da der Labor-Sterntest aus dem Krümmungsmittelpunkt dann immer unempfindlicher wird. 

Ich möchte da auch im Nachhinein nichts beschönigen: Die Herstellung des Hauptspiegels war ein hartes Brot und ich bin wirklich froh, dass das vorbei ist. Ich habe die Scheibe oft verflucht, wenn es nicht vorwärts ging oder der Fortschritt anders war, als ich wollte. Im Vergleich dazu war die Herstellung des Fangspiegels ein Zuckerschlecken.

Wie für meinen 14-Zoll Dobson baute ich auch für meinen Lowrider eine Äquatorial-Plattform. Die Plattform ist sehr stabil und flach gebaut und erhöht die Einblickposition um lediglich 60 mm. 
Der Aufbau des Teleskops benötigt etwa 5 Minuten. Zunächst wird die Plattform nach Norden ausgerichtet auf den Boden gestellt. Auf die Plattform kommt die Rockerbox, in die die Spiegelzelle eingesetzt wird. 

Zum Transport können die Höhenräder umgeklappt werde, was Platz im Auto spart und eine Demontage der Höhenräder überflüssig macht.

Schließlich werden die paarweise zusammengefassten Stangen eingesteckt und der Hut aufgesetzt und mit vier Schnellspannern befestigt.

Zuletzt werden die Hutblenden angeklipst und die Sucher eingesteckt. Nicht gezeigt hier ist ein weiterer etwa 30 cm hoher Fremdlichtschutz über der Spiegelbox.

In der Praxis ist das Lowrider-Design einfach klasse . Ich hatte bisher öfters mit dem 20" f/5 Dobson der Sternfreunde Breisgau beobachtet, aber das Herumturnen mit der Leiter fand ich doch ziemlich nervig und ablenkend. Der 22" Lowrider ist darin völlig anders und vom Handling her  praktisch identisch mit meinem 14" Dobson. Nur beim Blick durchs Okular merkt man sehr schnell, dass es eben doch kein 14-Zöller ist .

Der Lowrider wiegt alles zusammen grob geschätzt  45 kg. Der Hut schlägt mit etwa 4 kg zu Buche, die Stangen mit 3.5 kg, die Spiegelzelle mit Höhenrädern mit 10.5 kg, der Spiegel mit 19 kg und die Rockerbox mit etwa 8 kg.

Andere Lowrider

Werner Reimanns 24" Lowrider 

(mit 25 mm Borofloat Hauptspiegel) 

Timm Klose mit seinem 20" f/4.1

hier und hier und in der neuesten 25 kg Ultraleicht-Variante hier.

 

Roland Herrmann und sein ultraleichter 24" f/4.1

in der neuesten Variante unter 30 kg!

Richard Labschütz und sein 25" f/3.75

Dan Gray und sein 28" f/4.5

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Harry Feigel 22"

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Der 30er der Backnanger Sterngucker

 

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