Die Kontrast-Transfer-Funktion
Die erreichbare Auflösung bei Planetenbeobachtung mit großen Teleskopöffnungen
März 2005
Das theoretische Auflösungsvermögen eines
Teleskops wird durch den Durchmesser seiner Apertur bestimmt, der in der Regel
dem Spiegel- oder Objektivdurchmesser entspricht. Legt man der Bestimmung des
Auflösungsvermögens das sogenannte Dawes-Kriterium zugrunde, ergibt sich für als
Auflösungsvermögen im grünen Licht der Wert 117 Bogensekunden/mm geteilt durch
den Aperturdurchmesser. Für Teleskope mit 100, 200 und 400 mm Öffnung entspricht
dies Werten von 1.1, 0.6 und 0.3 Bogensekunden. Berücksichtigt man nun, dass bei
uns durch die Luftunruhe ein Seeing von besser als einer Bogensekunde eher die
Ausnahme als die Regel ist, liegt der Schluss nahe, dass ein Teleskop mit einer
Öffnung von 100 mm eigentlich schon fast eine maximal mögliche
Detailerkennbarkeit bei Planetenbeobachtung bieten sollte. Der Schritt zu 200 mm
Öffnung sollte dann nur bei besten Verhältnissen eine Verbesserung bringen,
während eine weitere Vergrößerung der Öffnung auf 400 mm Durchmesser keine
weitere Verbesserung brächte - die Detailwahrnehmung wäre vollständig durch das
Seeing bestimmt.
In der Praxis macht man jedoch eine andere
Erfahrung: Eine Vergrößerung der Öffnung (bei gleicher Qualität der Teleskope)
von 100 auf 200 mm erhöht die Detailwahrnehmung gewaltig, und auch eine weitere
Erhöhung auf 400 mm bringt noch mal eine erheblich Verbesserung, und dies nicht
nur bei den allerbesten Seeing-Bedingungen. Woran liegt das?
Um dies zu verstehen, müssen wir uns näher
mit der zugrundeliegenden Theorie des Kontrasts und des Kontrast-Transfers durch
das Teleskop beschäftigen. Eine sehr gute Einführung zu diesem Thema findet sich
in dem auch ansonsten sehr empfehlenswerten Buch "Telescope Optics" von Harrie
Rutten und Martin van Venrooij (Willmann-Bell Inc., Richmond, VA, USA). Die
folgende Argumentation folgt im Wesentlichen der von Martin van Venrooij in
Kapitel 18.7 dieses Buches. Der Kontrast zwischen z.B. zwei Oberflächendetails
eines Planeten wird hervorgerufen durch deren unterschiedliche Helligkeit oder
Intensität. Der Kontrast K zwischen einem helleren und einem dunkleren Detail
ist definiert durch K=(Ih-Id)/(Ih+Id),
wobei Ih und Id die jeweiligen Intensitätswerte sind.
Durch diese Definition liegt der Wert des Kontrastes zwischen 0 (kein Kontrast)
und 1 (maximaler Kontrast). Dieser Kontrast wird durch das Teleskop in die
Bildebene übertragen und das Verhältnis zwischen ursprünglichem Kontrast und
übertragenem Kontrast wird beschrieben durch die sogenannte
Kontrast-Transferfunktion, CTF, (oder auch optische Transferfunktion, OTF, oder
Modulations-Transferfunktion, MTF), die sich aus der dahinterstehenden Physik
der Wellenoptik ergibt.
Abbildung 1: Kontrast-Transferfunktion für f/5 Teleskope in Abhängigkeit von der
linearen Auflösung und der Winkelauflösung für 100, 200 und 400 mm Öffnung.
Die CTF gibt Auskunft darüber, wie viel des
Kontrasts eines Linienmusters mit ideal sinusförmiger Intensitätsverteilung in
der Bildebene ankommt, und zwar in Abhängigkeit vom Abstand der Linien in diesem
Muster (bezogen auf die Bildebene) oder von deren scheinbarem Winkelabstand.
Diese Bezugnahme auf solche artifiziell anmutenden Linienmuster mag etwas bizarr
anmuten, ergibt sich jedoch zwanglos aus der zugrundeliegenden Theorie. Jedes
Bild lässt sich in eine Überlagerung von im Grenzfall unendlich vieler solcher
Linienmuster zerlegen, der Fachbegriff dafür heißt Fourier-Zerlegung und spielt
in der Physik eine sehr wichtige Rolle.
Abbildung 1 zeigt eine solche CTF berechnet
für ein perfektes Teleskop mit Öffnungsverhältnis f/5 in Abhängigkeit von der
räumlichen Frequenz der Linienmuster (in Linienpaaren pro mm), welche unabhängig
von der Öffnung ist, bzw. von deren Winkelabstand. In Bezug auf die
Winkelauflösung ist die CTF abhängig von der Öffnung des Teleskops, was in den
unterschiedlichen X-Achsenskalierungen für unsere Standardteleskope mit 100, 200
und 400 mm Öffnung zum Ausdruck kommt. Was sagt uns nun diese CTF? Zunächst
einmal hat die CTF unserer perfekten Teleskope einen Wert von 100% nur, wenn die
Anzahl der Linienpaare pro mm gegen null geht, die Details somit beliebig groß
werden. Für feiner werdende Details sinkt die Kontrast-Übertragung
kontinuierlich und erreicht bei etwa 360 Linienpaaren pro mm die Nulllinie.
Dieser Wert entspricht auch dem oben schon genannten theoretischen
Auflösungsvermögen von 1.1, 0.6 und 0.3 Bogensekunden für unsere drei
Standardteleskope. Nur zum Vergleich: Der Durchmesser des Airy-Scheibchens
entspricht bei unseren Teleskopen einer Ortsfrequenz von etwa 150 Linienpaaren
pro mm.
Wir wissen nun also, dass der Kontrast
feiner Details schlechter übertragen wird als der gröberer Details. Das Bild
wird somit flauer, je feinere Details wir betrachten. Gehen wir von einem
ursprünglich maximalem Objektkontrast von 1 aus, so zeigt Abbildung 2, was von
diesem Kontrast im Bild noch ankommt.
Abbildung 2
Damit unser Auge nun zwei Oberflächendetails
noch unterscheiden kann, muss deren Bild-Kontrast einen gewissen minimalen Wert
besitzen. Martin van Venrooij nimmt in seinem Buch einen Mindestkontrast von 5%
für feine Details an und einen etwas niedrigeren Wert für gröbere Details. Diese
Werte können jedoch durchaus von Beobachter zu Beobachter sowie mit den äußeren
Bedingungen variieren. Details mit einem niedrigeren Bildkontrast würden von
daher nicht mehr als unterschiedlich hell empfunden. Diese Mindestwerte gelten
für ein helles Bild und entsprechen der gestrichelten schwarzen Linie in
Abbildung 2. Für ein weniger helles Bild liegt der minimale Kontrast für
visuelle Wahrnehmung sogar noch etwas höher, was durch die graue gestrichelte
Linie in Abbildung 2 angedeutet wird. Zunächst ist dies nicht weiter schlimm:
Die mit dem Auge maximal erreichbare Auflösung (die erreicht wird, sobald die
Kontrastkurve die gestrichelten Linien schneidet, also in den Punkten A und B,
abhängig von der Bildhelligkeit) ist vom theoretischen Auflösungsvermögen der
Optik (Schnittpunkt der Kontrastkurve mit der X-Achse) nicht weit entfernt.
Weiterhin ist sie zumindest mit 200 und 400 mm Öffnung immer noch besser als die
typischerweise durch das Seeing auferlegten Begrenzungen.
Erinnern wir uns jedoch noch einmal: Der in
Abbildung 2 gezeigte Kontrast ist der Bildkontrast der von einem Objekt mit
maximalem Kontrast von 1 übertragen wird. Details z.B. der Jupiteratmosphäre
haben jedoch keinen intrinsischen Kontrast von 1, sondern sind erheblich
kontrastärmer. Betrachten wir einmal die feinen Details der Wolkenwirbel in den
Äquatorbändern des Jupiters und nehmen wir für sie einen intrinsischen Kontrast
von 0.1 oder 10% an. Der Bildkontrast eines Objekts mit intrinsischem Kontrast
von 0.1 ist in Abbildung 3 als graue durchgezogene Kurve zu sehen, im Vergleich
zu unserem vorherigen Beispiel mit Objektkontrast 1.0 in schwarz.
Abbildung 3
Betrachten wir nun wieder die mit dem Auge
maximal erreichbare Auflösung. Während der Schnittpunkt A der schwarzen
gestrichelten Linie (für ein helles Bild) mit der schwarzen Kontrastkurve für
das 100% Objekt noch nahe beim theoretischen Wert lag, ist er nun erheblich nach
links zu A' verschoben. Das visuelle Auflösungsvermögen für ein helles Bild von
Planetendetails mit 10% intrinsischem Kontrast beträgt für unsere drei
Standardteleskope weniger als 2.0, 1.0 bzw. 0.5 Bogensekunden. Wenn wir nun
weiterhin berücksichtigen, dass das Bild bei gleicher Vergrößerung in den
Teleskopen mit kleinerer Öffnung dunkler erscheint als beispielsweise im 400 mm
Teleskop, so wird auch die Kontrastschwelle im kleineren Teleskop höher liegen
als im größeren. Der für das visuelle Auflösungsvermögen bestimmende
Schnittpunkt wandert somit von A' in Richtung von B' für kleinere Teleskope. Und
damit rutscht das visuelle Auflösungsvermögen in einen Bereich, in dem es weit
entfernt ist vom theoretischen Auflösungsvermögen der Optik. Selbst bei mäßigem
Seeing wird es in der Praxis nicht mehr durch das Seeing, sondern durch die
optischen Eigenschaften (in erster Linie die Öffnung) des Teleskops begrenzt
werden.
Das visuelle Auflösungsvermögen bei der
Beobachtung von z.B. Planetendetails kann somit erheblich geringer sein als das
theoretische Auflösungsvermögen des Teleskops. Es wird ganz wesentlich von zwei
Faktoren mitbestimmt, nämlich dem Bildkontrast der Details (der wiederum vom
intrinsischen Kontrast der Strukturen abhängt) und der von der Helligkeit des
Bildes abhängigen Kontrastschwelle des Auges.